Peter Godzik hat freundlicherweise erlaubt, die folgende Besprechung der im Hospiz-Verlag erschienenen Erstausgabe des Buches auch für die erweiterte Neuausgabe zu zitieren.

Nachlese

Ich lese nach, was ich zweimal gehört habe:

Petrus Ceelen, Am Rand – mitten unter uns. Vom sozialen Tod in unserer Gesellschaft, Esslingen: der hospiz verlag 2015.

Beim Nachlesen erinnere ich mich an die eindrucksvolle Stimme von Petrus Ceelen, mit der er diese Geschichten dem atemlos lauschenden Publikum in Rendsburg und Ratzeburg erzählt hat. Beim Lesen fehlt dieser berührende Grundton seiner menschlichen Stimme. Aber sein Herz ist doch auch spürbar in den Worten, die er aufgeschrieben hat. Er erzählt in diesem kleinen, kostbaren Büchlein seine Lebensgeschichte als Seelsorger für Obdachlose, AIDS-Kranke, Gefangene. Menschen am Rand, die unverhofft in die Mitte seines Lebens gerückt sind, ihn verwandelt haben und die er uns nun nahe bringen möchte. Weil wir nur so sehen lernen, wer wir als Menschen wirklich sind. Tat tvam asi – das bist Du! Nicht nur eine asiatische Weisheit, sondern eine tiefe christliche Haltung: In den Schwachen und Bedürftigen begegnet uns Christus. Und sie sind nicht allein die Empfangenden, sondern in ihrer Menschlichkeit auch die Gebenden. Das Leben ist für Petrus Ceelen durch sie tiefer und reicher geworden, weil sie uns vor Augen führen, wer wir sind: liebebedürftige Menschen.

Das kleine Büchlein ist ein großer Dank an eine katholische Ordensschwester, die mit ihrem mutigen Herzen hilfreich denen die Hand reichte, die niemand berühren mochte: Schwule, Aids-Kranke, Drogensüchtige. Petrus Ceelen nennt sie eine echte Franziskanerin: alle liebevoll umfassend, richtig katholisch, in der Tat. Sie hatte verstanden, dass Gott ein Tätigkeitswort ist.

Das kleine Büchlein ist auch ein großer Dank an die vielen Ehrenamtlichen in der Hospizarbeit, die eine unersetzliche Begleitung Schwerkranker und Sterbender leisten  und dabei gar nicht wissen, dass sie für andere ein Geschenk des Himmels sind. Petrus Ceelen möchte es ihnen sagen mit diesem einfühlsamen Buch, das an seinem Beispiel die Arbeit der gesamten Hospizbewegung würdigt. Da sind Menschen, die schauen hin und gehen hin, die halten aus und gehen mit – als Mitleidende, Mittragende, Mitsterbende. Und das alles macht sie menschlicher, gütiger, weiser.

Das kleine Büchlein ist ein großer Dank an all die Menschen, denen Petrus Ceelen auf seinem Weg als Seelsorger der gesellschaftlich am Rand Lebenden begegnen durfte. Sie alle, über die oft namenloses Leid und Verachtung gebracht wird, haben bei ihm ihren eigenen Namen. Sie behalten bei ihm ihre Würde und werden geachtet für das, was sie uns zu sagen haben. Denn: „Im Krankenbett siehst du mehr als in der Hängematte. Im Rollstuhl siehst du mehr als im Rolls Royce. Auf der Anklagebank siehst du mehr als auf dem Richterstuhl. Von unten siehst du mehr als von oben.“

Das kleine Büchlein ist auch ein mutiger Versuch, die Kraft der Vergebung und Versöhnung den Menschen nahe zu bringen. Nicht als Forderung oder Programm, sondern einfühlsam erzählt an beeindruckenden Beispielen. Liebe ist möglich, Verzeihung und Heilung tiefer Wunden. Nicht alles kommt einfach wieder zurecht, aber es leuchtet am Ende ein Licht liebevoller Verwandlung auf. Ganz zum Schluss, behutsam und anfänglich ...

Petrus Ceelen ist ein anfänglicher Mensch, der kleine Bruder der großen Schwester, wie er sich selber nennt. Einer der beschreibt, staunt, sich wundert, das Urteil anderen überlässt, uns Lesern zum Beispiel, aber der auch durchblicken lässt, wie er sich unser Miteinander wünscht: ehrlicher, aufrichtiger, menschlicher.

Ich habe dieses Buch gern gelesen. Ich werde immer wieder einmal danach greifen, weil es sehr dichte Texte und Geschichten enthält – die Summe eines aufmerksam gelebten Lebens. Ich möchte dieses kleine, kostbare Buch allen Hopizhelferinnen und -helfern in die Hand wünschen. Es macht aufmerksam auf gesellschaftliche Missstände und es lehrt Menschlichkeit.                              

Peter Godzik